Beratung, Prävention und Fortbildung gegen sexualisierte Gewalt in Lüchow-Dannenberg

Pressespiegel Elbe-Jeetzel-Zeitung

Die Elbe-Jeetzel-Zeitung berichtet immer wieder über uns und unsere Arbeit. Hier finden Sie die aktuellsten Beiträge:

21.02.2022
“Existenzangst”

Auch die Elbe-Jeetzel-Zeitung berichtete über unsere akuten finanziellen Probleme.

14.12.2020
“Beratungsstelle Violetta und Corona: Angst um Existenz”

Foto EJZ

Die Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt, Violetta, fürchtet um ihre Zukunft – nicht nur, aber auch wegen der Folgen der Corona-Pandemie.

Text und Bild von Rouven Groß

Dannenberg. Die Arbeit, die in der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt “Violetta” in Dannenberg und neuerdings auch in Clenze geleistet wird, ist aufreibend. Die fünf ausgebildeten Beraterinnen und Berater helfen, wo Mensch einem anderen Menschen Schlimmes angetan hat – im schlechtesten Fall. Im Idealfall verhindert die Beratungsstelle solche Taten durch Präventionsarbeit und indem sie andere Menschen schult, zu erkennen, wo etwas im Argen liegt – am besten, bevor etwas passiert. Doch wie so viele andere auch litt und leidet die Arbeit von Violetta unter der Corona-Pandemie. Weil persönliche Kontakte und Gruppenangebote stark eingeschränkt oder gar verboten sind. Und weil die Folgen der Pandemie die eh Jahr für Jahr prekäre Finanzierungssituation der Beratungsstelle belastet – so sehr, dass man sich dort ernsthafte Sorgen um die Zukunft macht.

“Das ist wirklich belastend”

“Das geht so weit, dass wir uns fragen: Wird es uns im kommenden Jahr, wird es uns 2022 noch geben? Das ist wirklich belastend”, sagt Mailin Goering, Sozialarbeiterin und spezialisiert auf die Trauma-Arbeit mit Mädchen und die Präventionsarbeit gegen sexuelle Gewalt in Kindertagesstätten und Schulen. Weil das für dieses Jahr geplante und größtenteils sogar schon vorbereitete Aus- und Fortbildungsangebot von Violetta für Lehrkräfte und Kita-Personal coronabedingt nicht stattfinden konnte – Einnahmen, die der Einrichtung fehlen. Auch Spenden gab es in diesem Jahr deutlich weniger als sonst – und zu allem Unglück läuft im nächsten Jahr ein Projekt aus, das Violetta zum einen Mittel aus dem Haushalt des Bundesfamilienministeriums bescherte, zum anderen die Stelle von Gustav Mewes: Der Diplom-Sozialpädagoge kümmert sich seit mehr als einem Jahr um Jungen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, der Bedarf sei “riesig”, sagt er, man komme kaum hinterher. Doch bislang gibt es keine Nachfolgeregelung, und wenn nichts passiert, werden Jungen, die zu Opfern werden, in Lüchow-Dannenberg künftig wieder Opfer bleiben, mit deutlich schlechteren Chance, das Erlittene zu verarbeiten.

Doch nicht nur auf die Finanzsituation der Beratungsstelle hat die Pandemie, haben die Folgen der Krise starke Auswirkungen. Dass im Frühjahr Schulen und Kindertagesstätten geschlossen waren und viele Familien daheimbleiben mussten, habe sexualisierter Gewalt Vorschub geleistet, sagt Beate Krauth, deren Schwerpunkt bei Violetta die Kinder- und Jugendarbeit ist. “Die Kinder waren zu Hause ungeschützt potenziellen Tätern ausgeliefert, ohne die Möglichkeit, mit anderen Menschen zu sprechen, ohne Lehrkräfte oder das pädagogische Personal in den Kitas, denen hätte auffallen können, dass etwas nicht stimmt”, so Krauth. Außerdem hätten die Auswirkungen der Pandemie und die Folgen der Infektionsschutzmaßnahmen gerade bei jenen Opfern von sexualisierter Gewalt, die durch die Taten traumatisiert worden waren, für großen Stress gesorgt, Tagesabläufe durcheinandergebracht, Ankerpunkte wie Sport oder Gruppenangebote wegbrechen lassen. “Hinzu kam gerade im Frühjahr, dass wir hier niemanden ins Haus lassen konnten, dieser geschützte Raum also fehlte, Beratungen nur telefonisch stattfinden konnten. Das waren keine optimalen Bedingungen für unsere Arbeit – das hat belastet, auch und gerade das Team”, sagt Melanie Abbas, Diplom-Sozialpädagogin und Präventionsfachkraft gegen sexuelle Gewalt in der Behindertenhilfe.

Corona-Hilfen auch für Beratungsstelle? 

Nun hofft man in Dannenberg und Clenze, dass sich möglicherweise im Rahmen der Corona-Folge-Hilfen Wege finden, die Arbeit von Violetta und anderen Einrichtungen, die sich von Förderperiode zu Förderperiode hangeln und wichtige Arbeit unter prekären Verhältnissen leisten, dauerhaft finanziell zu untermauern. Gern würde man die Politik dahingehend unterstützen, die eigene Expertise zur Verfügung stellen, sagt Beate Krauth: “Wie beim Thema Corona: Da hört Politik doch auch glücklicherweise auf die Wissenschaft. Warum wird beim Thema sexualisierte Gewalt nicht auf die Experten gehört?”

 

 Kommentar Violetta, Dezember 2020 

Entgegen des Eindrucks, der durch diesen EJZ-Artikel über unsere finanzielle Situation entstanden sein könnte, möchten wir betonen, dass wir NICHT unmittelbar von Schließung bedroht sind. Tatsache ist, dass die im Rahmen des Bundesmodellprojektes aufgebaute Jungenberatung sowie die direkten Präventionsangebote für Mädchen und Jungen in Schulen nicht über 2021 hinaus finanziert sind. Dass die diesbezüglichen Verhandlungen mit Politik und Verwaltung auf Landes- und Kommunalebene ins Stocken geraten sind, ist eine Auswirkung der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Einschränkungen. Unsere finanzielle Situation, ist wie so oft in den letzten Jahren, durchaus prekär und langfristig benötigen wir auch dringend eine verlässliche, höhere Förderung.

 


 

07.07.2020
Die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt ist künftig auch im Südkreis präsent

“Violetta eröffnet Außenstelle in Clenze”

Vor einigen Tagen hat die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt Violetta in Clenze eine Außenstelle eröffnet – und jetzt hängt auch das Türschild an dem Haus in der Langen Straße.

Text und Bild von Rouven Groß

Clenze. Seit vielen Jahren hilft Violetta Mädchen und Frauen, und seit einigen Monaten auch Jungen und Männern, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Mehr noch: Die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt mit Sitz in Dannenberg leistet auch Präventionsarbeit, damit Menschen gar nicht erst Opfer werden und Täter gar nicht erst Täter. Der Bedarf nach solcher Beratung ist enorm, aus dem gesamten Kreisgebiet kommen Menschen, die missbraucht wurden, in die Dannenberger Bahnhofsstraße. Und nicht erst seit Violetta in das Programm “Wir vor Ort gegen sexuelle Gewalt” des Bundesfamilienministeriums aufgenommen wurde, kommen auch Betroffene aus den Nachbarlandkreisen. Viele aber kommen eben auch nicht, denn neben der Scheu, der Hemmung, Hilfe zu suchen, kommt gerade für Opfer sexualisierter Gewalt aus dem Süden Lüchow-Dannenbergs hinzu, dass sie oftmals gar nicht nach Dannenberg kommen können. Weil sie nicht mobil sind, kein Auto haben oder – oftmals noch – nicht Auto fahren dürfen. Für diese Menschen hat Violetta jetzt eine Außenstelle in Clenze eröffnet. “Weil wir wissen, dass es hier Bedarf nach Beratung gibt”, sagt Dolly Tembaak, die die Außenstelle betreuen wird. Im Südkreis, aber auch in den angrenzenden Landkreisen Uelzen und Salzwedel.

Freie Mittel dank Bundesprogramm

Die Außenstelle von Violetta ist in bester Lage mitten im Ort in Büroräumen über der Clenzer Bücherei untergekommen. Durch Zufall hatte sie davon erfahren, dass die Räume, in denen auch schon einmal der Clenzer Jugendtreff zuhause war, zu vermieten seien, erinnert sich Dolly Tembaak. Und die Förderung durch die Aufnahme in das Programm “Wir vor Ort” habe es möglich gemacht, den schon länger gehegten Plan, ein Angebot im Südkreis zu schaffen, in die Tat umzusetzen: “Der Förderverein, der Violetta unterstützt, muss dank der Finanzmittel aus dem Programm nicht so viel Geld zur Beratung zuschießen, so dass bis zum Auslaufen des Projektes Geld verfügbar ist, das uns ein Anmieten dieser Räume ermöglicht”, so Tembaak. Bislang sei es so, dass “jemand aus Clenze, der mittags bei uns in Dannenberg ein Gespräch, eine Beratung hat, aber nicht mit dem Auto kommen kann, morgens um acht in den Bus steigt und nachmittags um vier wieder zuhause ist. Das ist kein Zustand.”
Daher nun also die Außenstelle in Clenze. “Das hat zwar mit dem Programm des Bundesministeriums nicht direkt zu tun, aber es ist schon so, dass es dem Ziel des Programms, Beratung bei sexualisierter Gewalt im ländlichen Raum zu verbessern, dient”, erläutert Tembaak. Weil es den Lüchow-Dannenberger Südkreis versorgt, aber eben auch die Landkreise Uelzen und Salzwedel. “Wir haben seit der Aufnahme in das Programm, seit dem Besuch der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey bei uns in Dannenberg und die Berichterstattung darüber deutlich mehr Fälle, und darunter sind auch Menschen aus Orten noch hinter Uelzen und Salzwedel”, sagt Dolly Tembaak. In beiden Landkreisen gebe es nämlich keine Beratungsstellen wie Violetta, im Landkreis Lüneburg übrigens auch nicht.
Kontakt weiter über Dannenberg
Die Außenstelle in Clenze sei jedoch nur genau das: eine Außenstelle, betont man bei Violetta. Dort werden nur Beratungsgespräche und – wenn sich das ergibt – Gruppensitzungen stattfinden. Die gesamte Verwaltung laufe weiter über Dannenberg, und dort können sich auch Betroffene telefonisch oder per Mail melden, um einen Termin in Clenze zu vereinbaren. “Auch dort ist es so eingerichtet, dass sich Betroffene, die kommen, nicht begegnen, dass die Anonymität strikt gewahrt bleibt”, betont Dolly Tembaak. Die Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt Violetta ist zu erreichen unter Telefon (05861)986800 oder per E-Mail an kontakt@violetta-dannenberg.de

 


 

22.06.2020
Beratungsstelle Violetta in Dannenberg bewertet die Debatte über die Missbrauchsfälle in NRW

“Kein Kind kann sich alleine schützen”

Mehr Geld für Prävention und eine achtsamere Gesellschaft: Das fordert die Beratungsstelle Violetta nach den Fällen von sexualisierter Gewalt an Kindern in Nordrhein-Westfalen. Auf.: G. Altmann/Pixabay

22.06.2020 – VON JöRN ZAHLMANN

Dannenberg. Wut, Ohnmacht, Hilflosigkeit: Experten wie die Dannenberger Beratungsstelle Violetta gegen Gewalt an Mädchen und Frauen kritisieren, dass sich die politischen und medialen Diskussionen nicht nur beim aktuellen Fall in Nordrhein-Westfalen um die immer gleichen Schlagworte drehen: etwa um Strafverschärfung, Behördenversagen und einmal mehr um den großen Schock über die Ausmaße.

Mehr Geld für Präventionsarbeit

Das reicht der Dannenberger Beratungsstelle nicht. “Erwachsene brauchen viel mehr Wissen, besonders über die Täterstrategien, die sehr geschickt und hoch manipulativ immer sowohl auf die Kinder als auch auf das erwachsene und institutionelle Umfeld zielen, um die Taten zu vertuschen. Kein Kind kann sich alleine schützen”, sagt Dolly Tembaak, unter anderem Fachberaterin für Psychotraumatologie bei Violetta. Wer sexualisierte Gewalt in seinem privaten oder beruflichen Umfeld nicht für möglich halte, der könne Anhaltspunkte und Hinweise auch nicht erkennen und weitergeben (siehe unten).

Dass ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen zum wiederholten Mal ein Täternetzwerk aufgeflogen ist, führt Tembaak auf die gestiegenen Investitionen in die dortige Polizeiarbeit zurück. Gute Ermittlungsarbeit koste ebenso wie Präventionsarbeit an Schulen und Kitas viel Geld – Diskussionen um mehr Investitionen an diesen Stellen seien wichtiger als jene um Strafverschärfung. “Natürlich fordern auch wir als spezialisierte Fachberatungsstelle seit Jahren eine angemessene Einstufung der Taten sowie eine harte Bestrafung sämtlicher
Täterinnen und Täter, aber der einseitige Blick auf Täter und Justiz trübt die Wahrnehmung der Gesamtsituation”, heißt es von Violetta.

Dagmar Freudenberg ist pensionierte Staatsanwältin, 16 Jahre lang hat sie schwerpunktmäßig im Sonderdezernat Sexualstraftaten bei der Staatsanwaltschaft Göttingen gearbeitet. Von einer möglichen Strafverschärfung hält sie nicht viel: “Voraussetzung für ein höheres Strafmaß müsste die Erkenntnis sein, dass sich ein Täter dadurch von der Tat abhalten lässt”, argumentiert Freudenberg. Allerdings funktioniere das Prinzip der Generalprävention, also das der Abschreckung, nur sehr bedingt. “Es ist gut, dass darüber öffentlich diskutiert wird. Man muss allerdings aufpassen, dass man die Grundrechte des Strafrechts nicht außer Acht lässt”, sagt Freudenberg. Ein Urteil sei immer Abstimmungssache zwischen in der Regel drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. “Die Richter handeln unabhängig auf Basis des Strafrahmens und ihrer Überzeugung”, berichtet sie. Dabei seien Faktoren wie Gnade, Reue und Schuld nicht objektivierbar und dennoch wesentlicher Bestandteil bei der Findung des Strafmaßes.

Anhaltspunkte erkennen: Was tun bei Vermutungen?

Unter anderem abstrakte, beiläufige Bemerkungen von Kindern wie etwa “Ich will nicht diese komischen Spiele spielen” können laut Violetta auf sexualisierte Gewalt hindeuten. Nicht altersgemäßes, sexualisiertes Verhalten sei ebenso ein mögliches Signal. Wichtig ist, Kindern Vertrauen und Bestätigung zu schenken, wenn sie sich Erwachsenen gegenüber öffnen. “Man sollte unbedingt klarstellen, dass das dann kein Petzen oder Verrat ist. Kinder denken zunächst immer, dass sie selbst schuld sind”, sagt Dolly Tembaak. Erwachsene, die merkwürdige Verhaltensmuster oder Aussagen bemerken, sollten ihre Beobachtungen zunächst detailliert und mit der Angabe von Zeit und Datum niederschreiben und sich dann gegebenenfalls anonym an eine Beratungsstelle wie Violetta wenden. Sie ist unter (05861) 986800 erreichbar

 


 

 

 

 

 

 

 

 

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